Dienstag, 2. Februar 2016

Rundnäschen öffnet sich.

Schafsbesuch 1.Februar 2016

Liebe schafbewegte Menschen!

Hilfe, ein Zwölftel des neuen Jahres ist schon um!



Paul. Paul lässt seinen Blick auf mir ruhen. Und zwar schaut er straight nach geradeaus und schaut nicht ins Ungefähre.




Dann nimmt er die, ans Meditative erinnernde Haltung ein, die wir sonst von ihm kennen.



Beschaut sich seine Herde, deren Teil er ist. Eine Herde ist eigentlich ein überindividueller Organismus. Jede Herde bildet Eigenarten aus, wenn man sie lässt, wenn die gleichen Individuen über einen langen Zeitraum beisammen sind.

Zum Glück lebe ich nicht von Schafen. Sonst könnte ich diese Beobachtungen nicht machen.
Es sind allerdings auch Beobachtungen, die eigentlich niemals irgendwo abgefragt werden, weil für Menschen, die von Schafen leben, Anderes von Bedeutung ist.
Zum Beispiel ist kaum bekannt, wie alt ein Schaf wird, wenn man es denn alt werden ließe.

Paul, der erprobte Stoiker, spürt sich und sich als Teil seiner Herde. Er ist ganz im Moment, und er ist ganz entspannt. Davon gibt er mir etwas ab.





Hier sind drei Ex-Lenauer zu sehen.
Von links: Nello, der noch nach Pellets sucht, Milli, die die gleiche Leidenschaft teilt und Paul, dem das Fressen im Leben nicht alles bedeutet.

Doch bevor ich mich, auf dem umgedrehten Eimer sitzend, als Teil (m)einer Herde im Moment verlieren darf, muss noch etwas Anderes gestemmt werden:



Taras. Kaukasischer Herdenschutzhund und gerettet aus einer permanenten Zwingerhaltung. Ein Fall für den Tierschutz. Herr Krüger hat ihn dem Besitzer abgekauft und nun ist Taras Teil des Hofes wie vormals Bruno. Zu Anfang war er voller Angst, Taras.
Bei jeder kleinen Handbewegung zuckte er zusammen und legte sich auf den Rücken, zeigte seinen Bauch. "Er hat schon aufgehört mit den Demutsgesten", sagt Herr Krüger, der Schäfer. "Zum Glück!"

Wenn Minna kommt, will Taras erst einmal einen langen Spaziergang machen. Gestern im Regen und bei all dem Matsch nicht die reine Freude.

Außerdem wollte er bei jedem Mauseloch den ganzen Acker umgraben. Es war ein bisschen anstrengend, aber das kann man dem Hund ja nicht vollkommen abschlagen, oder?
Mein Vater sagte immer, ein Hund lebt für den Spaziergang. Dann geht er raus und liest die Zeitung. Soll heißen, wenn er alles beschnuppert und merkt, wer vorher da war.



Nach dem Spaziergang und einem tollen Mittagessen - vielen Dank! war dann Zeit für die Schäfchen.

Sie rufen immer herüber, wenn man ankommt: He, wir haben Dich bemerkt, warum bist Du noch nicht da??





Hier sieht man Paul und das Rundnäschen. Es zeigte zum ersten Mal großes Interesse, den Menschen Minna kennenzulernen und verlor seine vorherige Scheu weitgehend, nahm Brot aus der Hand und knabberte an meinen Fingern, ohne mir weh zu tun.




Mehr und mehr wird es Teil der Herde. Es hat ein schönes Profil und wache Augen. Es fängt an, zielgerichtet zu blicken.




Währenddessen versucht Nello, noch die letzten Pellets des Lämmerkorns, das wir täglich als Kraftfutter für die alten Tiere einsetzen, zu ergattern.


Thilus, der Chef, immer wachsam, wirkt aber gut gelaunt. Er hat einen Hang zum Melancholischen, heute ist das nicht zu sehen.
An diesem Punkt gibt es immer jemanden, die/der sagt:"Du vermenschlichst die Tiere."

Das sind Menschen, deren Interessen es ihnen nicht erlauben, genau hinzuschauen, sonst würden sie Dinge bemerken, die sie in Zielkonflikte bringen.

Daher wehren sie die Zumutung des genauen Hinschauens ab, indem sie den Anderen der falschen Projektionen bezichtigen, also, dass er etwas HINEINliest, was gar nicht drinsteckt.
Vielleicht ist das gerade aber ihre Form der Projektion? Jedenfalls der Abwehr.
Es ist zu stereotyp, um wahr zu sein.

Wenn ich gerne Lamm auf dem Teller habe, werde ich die Tatsache des Erörterns von seelischen Eigenschaften dieser Tiere als eine Zumutung empfinden, die ich so nicht stehenlassen kann und derer ich mich erwehren muss.

Die furchtbare Unterscheidung zwischen "Nutz"- und Kuscheltieren....

....gehört zum so genannten Erwachsenwerden in unserer Gesellschaft, das Sich-Erkalten gegenüber fühlenden Mitwesen.

....ist ein starkes gesellschaftliches Tabu. Man darf nicht daran rühren, es grenzt einen aus, wenn man es doch tut. Man wird dann als Erwachsener nicht mehr ernst genommen, es wird einem Gefühlsduseligkeit unterstellt.

Ich hatte mir als Kind vorgenommen, in diesem Sinne niemals "erwachsen" zu werden und ich bin mit diesem Kind in mir immer noch sehr verbunden.



Hier sieht man Nello und Nayala die letzten Pellets aufklauben.




Nello war ein wunderbares Schulschaf, stand immer am Zaun, immer bereit, Kontakt zu den Kindern aufzunehmen. Geduldig, nie unwirsch, das Streicheln wurde ihm nie zu viel. Er genoss die Aufmerksamkeit und die streichelnden Hände.
So auch heute noch.



Etwas tut sich. Die Herde ist zum Teil wachsam geworden. Taras' Heulen ist es. Er liegt in einigem Abstand auf der Hofwiese und fordert Gemeinsamkeit ein. Später werfen wir Stöcke und er holt sie. Das macht er sehr gut. Er gibt sie auch gern wieder ab.




Pony geht es heut nicht so gut. Er hat sich anscheinend eine Erdknolle zwischen die Klauen eingetreten, und jetzt humpelt er ein bisschen. Er lässt mich aber nicht ran. Das Wetter ist auch so nass. Pony ist aber auch ein Dramatisierer. Es gibt Schafe, da merkst Du gar nichts, und wenn Du nachschaust, hat sich etwas schon sehr weit entwickelt.
Andere humpeln andauernd herum, aber es ist nichts zu sehen, wenn man sie auf den Hintern setzt und nachschaut.




Nello und Nayala immer noch beim Fressen, Thilus und Rundnäschen mehr so im Kontakt, Herr Weiss immer noch wachsam.




Nayala ist schon sehr aufmerksam,
aber, wenn man zu ihr hinschaut, schaut sie weg.
Nello und Milli immer noch gefäßig.
Milli mit dem schönen langen Lenauer-Schwanz.
Wir haben niemals Schwänze kupiert.
Für mich wirkt ein Schaf mit unangetastetem Schwanz viel harmonischer als eines mit einem kupierten Schwanz.




 Nayala kurz vorm Wieder-Weggucken: Hallo, Berit!




Die Sensation an diesem Tag ist das Rundnäschen. Der kleine Schwarzkopf nähert sich dem Menschen und testet aus, was dieses für ein Universum ist und was es da zu "holen" gibt. Sie ist bereit, neue Erahrungen zu machen.




Sie wirkt sehr offen und will Neues erfahren. Ganz belastbar ist es aber noch nicht. Ist ja wohl auch verständlich.




Und schaut auch schon wirklich hin. In ihr bildet sich das Gefühl, "wer" zu sein. Schauen kann nur jemand, der ein Gefühl von sich hat, der auf dem Weg hin ist, ein Individuum zu sein.
Das gehört zur Dialektik des Blickens, nicht nur beim Menschen.



Fläumchen, unsere kleine Agathe, zeigt sich auch einmal sehr versöhnlich und annäherungsbereit. Das ist nicht immer so bei ihr. Ihre Stimme erkennt man aber genau. Sie ruft sehr oft.




Vorne Pony, in der Mitte Petit Criü, der heute auch ein wenig geknickt wirkt. Wahrscheinlich das Wetter. Wir hätten es alle lieber ein wenig trockener gehabt. Heute Abend habt Ihr aber wieder den Stall!





Nayala mit Pony...



Und dann noch: Tschüss an alle! Vorne: Milli, Nayala, Nello, Herr Weiss.

Bis zum Donnerstag. Dann kommen vielleicht Berit und Kathrin mit, Patinnen von Nayala und Nello.

Rundnäschen sucht noch, möchte auch noch gern adoptiert werden!
Nee, jetzt habe ich wirklich etwas hineinprojiziert:
Ihr ist es wurscht, wer bezahlt, Hauptsache sie lebt!
Bezahlen kennt sie nicht. Schön wäre es aber schon, wenn sie jemanden fände, der sie adoptiert...

Wünsche darf man äußern, nicht wahr?

Eure Minna