Donnerstag, 31. Dezember 2015

Warum Schafe so therapeutisch sind...2

Am letzten Montag war ich wieder unterwegs zu "meinen" Schafen. Ich hatte Stroh eingepackt, trockenes Brot, einen Sack Lämmerkorn, ihr Lieblingsfressen, das ist so eine Art Kraftfutter - und ihr Lieblingsheu, das Württemberger Wiesenheu.

Eigentlich brauchen sie es nicht wirklich, das Brandenburger Heu ist sehr gut in diesem Jahr, und sie fressen es zu ihrem Grasen auf der Wiese sehr gerne und reichlich.

Man darf aber nicht vergessen, dass die meisten der kleinen Herde älter als zehn Jahre sind. Daher das Kraftfutter, die Pellets. Und das Württemberger mit seinen fünfzig Kräutern, das wirkt wie Medizin.

Nello war vor zwei oder drei Jahren einmal ganz schwach gewesen, er stand nicht mehr von allein auf.
Aber er rappelte sich wieder und obwohl er ganz dürr ist, frisst er wie ein Scheunendrescher und die Lebenslust blitzt ihm aus den Augen.
Eigentlich dachten wir schon drei Mal, er würde den Winter nicht überleben...

Als ich am Montag kam, ging ich erst einmal mit dem neuen Hofhund, Taras, auf einen Spaziergang. 
Die Schafe hatten mich schon gehört, sie riefen schon. Dann kamen sie auch "dran":




"Na endlich", schienen sie zu sagen. "Dass Du da bist und kommst nicht, das geht gar nicht!"

Pony ist sehr liebevoll eigentlich, hält sich oft aber erst einmal zurück. Man hat auch leider nur zwei Hände zum Streicheln. Aber erst einmal waren sie abgelenkt. Da war dieses schöne grüne Heu...





Eines von den vier kleinen überlebenden Lämmchen dieses Jahres steht unschlüssig vor dem Tor.




Aber Thilus lässt es sich schmecken und haut rein. Manchmal schaut er, wenn er wieder etwas abgerupft hat, zu mir rüber, sagt: "Manno, hast Du wieder das coole Heu mitgebracht!" An der Art, wie sie rupfen, sieht man, ob und wie es schmeckt.




Währenddessen schaut sich der übervorsichtige Paul um, ob er ohne Sorge da hineingehen kann oder ob 
am Ende mal wieder Klauenpflege angesagt ist...was natürlich keiner mag!
Dann locken wir sie in die Hütte, schließen die Tür und führen sie zur Behandlung einzeln wieder heraus...und Paul, wenn er Verdacht hegt, kommt dann erst gar nicht in den Stall. So ist er eben. Er wittert förmlich künftiges Ungemach. Er ist der feinnervigste von allen.




Ganz entschlossen ist er noch nicht.




Aber echt, Paul, wie soll ich denn diese Geste deuten??? Herr Weiss steht auch noch unschlüssig hinter ihm herum.
Paul hat gemerkt: Sie ist allein. Keiner draußen, der die Tür zumacht, wenn ich drinnen bin - Ätsch!!





Dann hat sich Paul zum Hereinkommen entschlossen und nimmt Fühlung auf. Das hat alles schon so lange gedauert, dass in mir auch schon eine Art Ruhe sich ausbreitet, so eine vormoderne, unhektische Verfassung, in der der Moment alles ist und alles Andere nichts.




Nayala, das rechte Lämmchen, hat eine Patin gefunden. Sie ist zu beglückwünschen!!
Sie war sehr krank gewesen, hatte einen anhaltend schweren Durchfall. Als sie aber den Namen hatte, eine Arztbehandlung und ihre Patin, ging es mit ihr aufwärts, aus dem Kümmerling wurde ein kleines Schaf, das mit seinen Hufen anfing, im Leben zu stehen!

Das linke, das Fleckchen und das dritte, das Rundnäschen, sie suchen noch Paten.





Hier sieht man den Zugang zum Stall über die Weide.





Als sie ihre Pellets bekommen haben und die erste Gier vorbei ist, ist zu sehen, wie das Fleckchen sich immer in Nellos Nähe aufhält. Er kümmert sich nicht groß darum, es stört ihn aber auch nicht. Später zeigt sich, dass die Beobachtung richtig ist.

Das Fleckchen sucht Nellos Nähe.


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Warum die Schafe so therapeutisch sind...1

Das versuche ich, einmal zu erklären. Ob es gelingt, das weiß ich nicht.
Ich war ja ungefähr zehn Jahre lang an der Schule, ohne die Schafe überhaupt zu beachten. Sie waren eine exotische, sympathische Zutat, gingen mich aber nicht weiter etwas an.
Die Hausmeister hatten ihre Pflege auch völlig selbst in der Hand. Kinder waren nicht beteiligt.

Erst, als Frau B. die Pflege der Schafe übernahm, weil der neue Hausmeister ein Totalausfall war, als sie Kinder am Stallausmisten beteiligte und Schaf- und Wollprojekte mit ihnen durchführte, mit dem Schafsmist Kompostmieten betrieb und den Dünger im Schafehof unter den Bäumen verstreute, dabei Regenwurmkisten zur Beobachtung anlegte....da find das an, mich auch zu interessieren.

Als sie dann in Pension ging, hatte ich die Schafe allein an der Backe.
Konnte ich mich weigern?

Sie hätte sie einem Bauern gegeben und weiter nicht groß geschaut, was der mit ihnen macht.
Das war mir verbaut. Ich hätte mir mein Leben lang Vorwürfe gemacht.
Die Hammel haben schon gar keine Chance. Die Frauen eine Zeitlang, wenn sie gebären, vielleicht.

Als mir das klar wurde, wusste ich, dass ich da drin hing. Zuerst bedauerte ich, dass die Tiere nicht so klein wie Kaninchen waren.
Das war eine Körpermasse bei manchen von 60 kg und mehr.

Als die Tiere dann an der Schule nicht mehr erwünscht waren, als sie auch verletzt worden waren, was 25 Jahre lang nicht vorgekommen war, weil die Schafe wegen der Kinder, die sie liebten, so eine Art Welpenschutz im Viertel hatten - da suchte ich einen Hof für sie.

Ich fand einen. Aber mir war nicht klar, wie schwierig es sein würde, wenn zwei Logiken auf einem Hof sind: Eine ökonomische und Schlachtlogik und eine Patenschafts- und Zufluchtslogik.
Doch davon vielleicht ein anderes Mal.

Heute wollte ich auf das zurückkommen, was mir die Schafe zurückgaben und geben.

Ich habe gelernt, dass man langsamer sein muss als ein Schaf. Dann gibt es seinen Fluchtimpuls auf, dann nähert es sich und zeigt Neugierde und zeigt sich.

Für viele Menschen ist es sicher nicht leicht, sich langsamer zu geben als ein Schaf, für manche unmöglich. Für viele Kinder war es möglich. Sie erlebten, wie die Schulschafe auf sie zukamen - manche hatten furchtbare Angst! Als käme da ein Wolf! - aber manche Kinder spürten die Wärme, das Weiche, das Ruhige, das, das keine Ansprüche an sie stellt sondern nur mit ihnen den Augenblick teilt.

Und so lernte ich das auch.

Samstag, 11. Juli 2015

Impressionen 11.7.15

Da sollte noch ein Text hin....
Aber die Bilder sprechen auch schon ein wenig für sich.




Petit Criü


Weidenblätterschmaus



Nellos wache Augen




Fläumchen reckt sich



Von unterm Blätterdach
ein Blick auf die Weide


Petit, der aber schon sehr groß ist,
wirkt immer sehr genießerisch
und zufrieden.



Er hat so wunderschöne,
verträumte Augen.




Thilus begleitet mich immer
bis zum Tor.




Milli kommt auch noch mit.
Die anderen bleiben hinten
unterm Blätterdach.




Ferienhaus mit Stall.
Hier wohnte ich 2008 acht Monate lang.
Im Bett liegend, hörte ich
Almas Glocke.
Idyllisch war es.



Almas schönste Momente:
Wenn Kinderbesuch kam.
Das hier war 2011.




Klein Criü im Januar 2009
Er wirkte immer wie noch nicht richtig
in der Welt angekommen.




Dieses Bild zeigt es auch: rechts steht er.
Alle fressen Brot, aber er steht daneben
und schaut sich die Sache an.
Februar 2009




Prachtfoto von Pony, 2011



Pony geht's gut.



Nello, 2011




Die drei von der Gang:
Nello, Pony, Thilus.
So um 2010.
Pony war 5, Nello und Thilus 8 Jahre alt.


Samstag, 4. Juli 2015

Wie alt wird denn ein Schaf?

Heute war ich wieder bei "meinen" Schafen. Wir fuhren sehr früh los, wegen Hoch "Annelie" mit bis zu 37 Grad Celsius.
Sie lagen im Schatten. Bis vor kurzem hieß dieses Blog "Lenauer Schafeblog", denn es handelte von den Schulschafen der Lenau-Schule in Xberg, Berlin.

25 Jahre waren die Schafe an der Schule gewesen. Doch die Schule, das Kollegium, hatte sich fast vollständig ausgetauscht, die Zeiten waren andere geworden, die Schule wollte die Schafe nicht mehr wirklich.

Welche Kompetenzen Schüler im Umgang mit Schafen und ihrer Wolle erwerben, kann man auch nicht so gut evaluieren. Tant pis pour les brébis - oder die Schüler. Wie man will.

So brachte ich sie - traurig - in eine Schäferei in Brandenburg, lebte ein paar Monate dort mit ihnen zusammen, sorgte für ihre Pflege und ihre finanzielle Unterstützung und besuchte sie, so oft ich konnte. 

Bis heute besuche ich sie wöchentlich. Sie waren mir ans Herz gewachsen, ich konnte sie dieser kalten Welt, die sie nur als "Nutztiere" betrachtet, nicht einfach überlassen.

Sie hatten sich mich ausgesucht, um ihre Interessen zu vertreten. Ich finde, es gibt schlechtere Aufgaben, an denen man sich erproben kann.
Sie haben mir sehr viel gegeben und tun das weiterhin.
Zwei Stunden auf der Weide und man ist ein anderer Mensch als der, der herkam.

Und dann war es so.  Sie gingen nach Brandenburg und wurden Landschafe. Das war im Dezember 2007.
Nun schreiben wir 2015. Sechs der elf damaligen Schafe sind noch da, einige sind gegangen. Zwei wurden zwanzig Jahre alt.

Alma ist jetzt 15. Thilus ist 13, Paul ist 12, Milli und Nello sind 13 Jahre alt. Fläumchen ist 12.

Ich würde gerne weiter über sie berichten, denn sie sind wunderbare Tiere und sie sind meine Freunde.
Ich muss nicht mehr als Lehrerin über sie berichten.

Aber erzählen möchte ich von ihnen. (Bilder folgen)

Weil die häufigste Frage, die mir je gestellt wurde, diese ist:

Wie alt wird eigentlich ein Schaf?",

nenne ich das alteneue Blog "Alte Schafe".

Die Antwort ist übrigens "20 Jahre und mehr sind möglich, wenn man sie lässt."

Aber man lässt sie nicht, in aller Regel nicht, wie wir alle wissen.

Nello, 13, das Schaf auf dem Bild im Header, war vor zwei Jahren viel schlechter dran als jetzt. Wir mussten ihm beim Aufstehen unter die Beine greifen und ihm hochhelfen.

Als ich heute kam, stand er geschwind und ohne Mühe auf.

Alma hat immer noch diese rätselhafte kahle Stelle an der rechten Schulter.

Vor einiger Zeit war die Haut aufgegangen. Sie bekommt ohnehin Kraftfutter wie alle, sie ein bisschen mehr, aber ich gab ihr auch Arnica Montana als homöopathisches Medikament. Die Wunde schloss sich glücklicherweise wieder.

Diese heißen Tage sind anstrengend für die Tiere. Nur morgens und abends sind sie unterwegs. Die anderen Stunden liegen sie im Schatten.

Eine Freundin, Tierhomöopathin, sagte einmal: 
"Der Winter und der Sommer sind die harten Monate für die Tiere."

Das hatte ich so noch nicht gesehen, aber ich finde, sie hatte Recht.

Alma ist mittlerweile stocktaub. Sie hört nichts mehr. Aber das passt zu ihr, sie hat noch nie wirklich auf irgendwen gehört.

In dieser Woche, erzählte der Schäfer, wickelte er sie aus dem Elektronetz. Er hatte vergessen, es anzustellen, sie hatte es sofort gemerkt und irgendwelche Kunststücke gemacht und die Kontrolle verloren.

Ein Glück, dass er sie bald gefunden hatte!

Er sorgt wirklich gut für sie.




Alma war immer der Star für die Kinder. Sie erwachte richtig zum Leben, wenn sie mit Kindern zu tun hatte. Sie war ein supertolles Schulschaf.

Wenn die Kinder nach Brandenburg zu Besuch kamen, war es ein Fest für beide Seiten.

Auf diesem Foto ist Alma 11 Jahre alt. Sie wurde am 3. Januar 2011 geboren.

Kürzlich war ich mit ihr außerhalb ihrer Weide mit der elastischen Hundeleine spazieren. Das haben wir früher an der Schule  so gemacht, zusammen mit den Kindern, es war der Hammer für Alma, spazierengehen zu dürfen.

"Extrawürste" hat sie sehr gern. Sie empfindet sich dann als etwas Besonderes. Ich würde ihr da nicht widersprechen. Sie ist etwas Besonderes.

Minna