Samstag, 9. März 2013

Kinder sind Philosophen

In der Schule habe ich diesen schönen Raum, die Wollwerkstatt. Dort findet der Wahlpflichtunterricht statt. Der ist aber nur für die 5. und 6. Klasse. Oft bleiben jüngere Kinder stehen und fragen: "Kann ich auch mal was mit der Wolle machen?" und dann sage ich ungern immer nein. Doch ich bekomme keinen zeitlichen Ausgleich dafür, das ist nicht vorgesehen.
Freitags habe ich vier Stunden Unterricht und die Aussicht aufs Wochenende. Damit kann ich der Schule etwas von dem, was sie an Unterstützung für die Schafe und die Wolle  gibt, zurückgeben.

Wir filzten Teppiche, und, wie immer beim handwerklichen Arbeiten, entsteht so eine Erzählstimmung, S. fragte mich zum Beispiel, ob ich es mag, Lehrerin zu sein.

Die Wolle riecht angenehm, man kann sie nur in großer Ruhe bearbeiten, man muss sich Zeit nehmen. In dieser Zeit kann sich etwas entwickeln, das man so nicht planen kann. Ein Gespräch zum Beispiel. Das ist auch das Schöne an der Wolle.



Kinder wollen eigentlich immer gerne etwas tun. Gerne würde ich mit ihnen auch werken, mit Holz arbeiten, aber nun ist da schon die Wolle. Sie ist die Verbindung zu den Schafen, und das schafft Zusammenhänge.
Was uns allen in unserer Gesellschaft fehlt, ist der Blick und der Sinn für die Zusammenhänge; sie bestehen, aber sie werden nicht gesehen.
Dadurch bleiben wir alle beschränkter als wir es nicht sein müssten.
Aber ohne diese Worte macht es auch einfach Freude, etwas zu schaffen, zum Beispiel diese Teppiche hier. Ganz fleißig arbeiten die Kinder daran, die Wollfasern zu verfilzen. "Du musst auf der Noppenfolie mit den Händen hin- und hergehen und die Wolle gut massieren."........ K. (hinten) plötzlich: "Ich massiere die Wolle, und die Wolle massiert mich."
Ich bin platt. Das ist hoch philosophisch. Zeige meine Begeisterung. Da meint sie: "Aber ich spür es doch, hier, an der Hand, wie mich die Wolle massiert.." Ich massiere die Wolle, und die Wolle massiert mich.

Diese Empfindung, das, was von der anderen Seite kommt, überhaupt zu spüren - und dem dann Worte geben zu können, nehme ich als ein Geschenk in mein Wochenende mit!



Also ehrlich: Welcher Erwachsene erlebt in seinem Berufsalltag solche schönen Momente, wo plötzlich ein Lichtstrahl durch den Raum geistert...Das gab's doch sicher nur im Hain Akademos damals, oder? Erlebt Ihr auch solche schönen Augenblicke, wo etwas aufblitzt? Wo plötzlich irgendetwas anwesend ist, was eine Art Hintergrund, Panorama, schafft, eine neue Dimension eröffnet, so dass man die Dinge voller erfassen kann? Diese Dimension war sicher vorher auch schon da, aber ziemlich gut verborgen.
Ja, im Lehrerzimmer, da hab ich das, glaube ich, noch nie erlebt, man möge mir verzeihen....Sorry, aber es ist so. Leider!
Mit der Gestaltung hatte noch nie jemand Probleme. Du stellst die farbige Wolle hin, wenn der Teppich angefilzt ist, und - flugs - bildet sich etwas Farbiges darauf. Schön, zu sehen, wie es entsteht.
 



F. legte ein Herz, aus dem wurde dann ein Katzengesicht.



Jetzt ist der Teppich fertig. Schön ist er geworden!



Die Antwort auf S.s Frage war: Ja!
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