Samstag, 27. August 2011

Zunächst einmal: Das Altenheim:

 Heute fuhr ich sehr früh los, so um halb acht Uhr. Für einen Samstag, wo man ausschlafen kann, ist das sehr früh, denke ich mir.
Gestern nach der Schule, so um halb zwölf Uhr mittags, hatte ich schon einen Versuch gestartet, war aber gescheitert und steckte kurz hinter Berlin gnadenlos im Stau. Da es so unglaublich heiß war und sich auf der Autobahn nichts fortgewegte, dachte ich mir: "Mit Bruno heute den baumlosen Weg in der prallen Sonne gehen? Er wird einen Kreislaufkollaps bekommen." Nachdem ich eine halbe Stunde Stop and Go mitgemacht hatte, fuhr ich raus, wendete (natürlich nicht auf der Autobahn!) und fuhr wieder nach Berlin zurück. Für hundert Kilometer Benzin und zweieinhalb Stunden Zeit verplempert.
"Dann wirst Du also morgen fahren", sagte ich mir, "morgens ist die Autobahn frei." Das war sie dann auch. Spaziergang mit Bruno etwas anstrengend, weil wir zwei Hunden mit Herrchen begegneten und beim zweiten Hund, einem großen Schäferhund, rastete Bruno vollends aus. ich konnte ihn halten und ausweichen, aber danach war ich vor Anstrengung nass geschwitzt. Ich gehe gerne mit Bruno spazieren. Ich glaube auch nicht, dass er die Hunde fressen würde. Eher, dass er einmal einem leibhaftigen Hund begegnen und ihn beschnüffeln möchte. Wir möchten ja auch gerne mit Menschen zu tun haben. Weil Bruno aber so groß und nicht mein Hund ist, kann ich mich auf derlei Experimente nicht einlassen.
Danach war Bruno restlos zufrieden und ich nass geschwitzt. Wo kann man sich am besten erholen? bei Tieren, die keine Jäger sind, zum Beispiel bei den Schafen. Gehst Du zuerst zu den alten, dachte ich mir, die treten dir nicht auf die Füße und rennen dich auch nicht um, weil sie so gierig sind. Holte mir meinen Klappstuhl und trug ihn in den Stall.



Beide, Conny und Willi, die ältesten Lenauer, zusammen mit Fleckchen, sehen, wenn man sie so einfach anschaut, sehr gebrechlich aus, vielleicht denkt man auch, dass sie Schmerzen haben. Sicher haben sie auch Schmerzen. Beide haben verformte Beine und Füße, sie bewegen sich sehr langsam. Aber sie sind sehr aufmerksam und nehmen an allem Anteil. Jemand, der starke Schmerzen hat, sondert sich ab und nimmt nicht mehr an allem teil. Diese Tiere können mit ihrer Altersschwäche gut umgehen. Sie freuen sich an allem, was schön ist und zeigen, wie intensiv sie alles genießen. Sie genießen ihr Leben, ihr Lebendigsein auch im Alter. Willis Stimme hört man jetzt mehrfach am Tag. Das war früher nie der Fall. Wenn man den Stall betritt, bleiben sie liegen. Sie haben Vertrauen. Klinglers haben ihnen den kleinen Stall gegeben. Das ist ihr Fünf-Sterne-Hotel. Willi hinkt auf seinen drei Beinen. Den Fuß vorne rechts setzt er kaum noch auf. Er hat eine Art des Humpelns entwickelt, mit der er ziemlich schnell ist, wenn er will.
Heute wollte er massiert werden. Den ganzen Rücken vom Kopf bis fast zur Schwanzwurzel, dabei verdrehte er den Kopf vor Wohlbefinden. ich habe heute bemerkt, dass er unten keine Zähne mehr hat. Nimmt er das Gras mit den Lippen? Geht das? Oder frisst er nur noch vom guten Schwarzwaldheu, das im Altenhotel immer zur Verfügung steht? Die kleinen Köttel, die auf der Erde lagen, deuten eher darauf hin, dass Willi mehr heu als Gras frisst. Man kann das sehen, wenn man sich ein bisschen auskennt.
Als Willi "Satt" war mit Massieren, ging er von selbst weg. Dann kam Conny her und ich massierte ihr auch den Rücken. Eine Massage ist wie ein Gespräch. Man erfährt sehr viel von dem Körper, Conny hat keine sehr harten Stellen mehr, ihr Nacken ist auch nicht mehr so hart, trotzdem konnte ich danach feststellen, dass
ihr Rücken weicher geworden war. Beide Tiere haben kein Gramm Fett zuviel am Leib, sind aber auch nicht extrem mager. Das merkt man daran, ob man noch etwas Fett und Bindegewebe auf den Rückenwirbeln findet.
Sogar Fleckchen wollte heute nicht ausgeschlossen sein. Meist mag sie es nicht, berührt zu werden, heute genoss sie es lange. Erstaunlich. Dabei schaute sie mich manchmal an und zeigte mir ihren Überbiss: Ihr Unterkiefer steht über den Oberkiefer vor. Dabei sieht man, dass sie ihre Zähne auf der einen Seite verloren hat, was ihr insgesamt so einen Gangsta-Look gibt....

Sie sieht einigermaßen fies aus, wenn man sie so anschaut, aber ihre Beine tragen sie noch wunderbar überall hin, und zwar ganz schön schnell. Dabei ist sie Willis Zwillingsschwester und keinen Tag jünger als er...
Bald kann man mehr lesen.
Viele Grüße
Christa Brenner-Nees




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