Freitag, 19. Juli 2013

Scheiß auf einen BMW!

Lieber Sven, @schafzwitschern,

für Deinen superlangen und schönen Kommentar zum Post weiter unten mit dem Titel "Was ist mit Nello los?" möchte ich Dir sehr danken! Du hast eine Menge Zeit und Überlegung eingesetzt, und eben dafür und für das, was Du schreibst: Herzlichen Dank!

Die Gedanken zur Platzwahl bei Schafen waren mir sehr wichtig. Es ist schön, die Erfahrungen Anderer teilen zu können, und Du hast bestimmt eine Menge Wissen über Schafe!!

Wir haben uns manches davon auch schon selbst so gedacht und das hat eine Bestätigung gegeben, dass es richtig war, das Wasser und den Leckstein zu den Bäumen hinzubringen. Auch wenn es verdammt viele Meter mehr sind, die man jeden Eimer Wasser dann schleppen muss...Hier hatten drei Leute den gleichen Gedanken.

Du schreibst, elf Jahre, das ist viel für ein Schaf. 

Die Frage, die mir in allen den Jahren, in denen ich mit den Schafen zu tun habe, am häufigsten gestellt wurde, ist: "Wie alt wird eigentlich ein Schaf?"

Ich kenne ja nun auch schon ein paar Schäfer, und ich sage Dir, sie wissen es nicht so genau. Vor allem wissen sie nicht, wie man mit alten Tieren und alternden Tieren umgeht. Denn sie kennen es nicht.

Bei Hund und Katze ist es "normal", dass sie alt werden. Da wissen auch die Tierärzte sehr gut "Bescheid". Aber Schafe lässt man in der Regel nicht alt werden. Hier weiß jeder Schäfer mehr als der Tierarzt auf dem Land, der mit Hund und Katze zu tun hat.

Willi ist 21 und Fleckchen sind 22 geworden, Conny 17. Nello ist nun ein recht großer Brocken, das ist wie mit kleinen oder großen Hunden vermutlich: Die kleinen können 18 werden, die großen vielleicht 12. Ich denke, er könnte 13 oder 14 werden, oder auch nur 11 oder 12 oder so. Er wirkte immer schon ein wenig "progeriert", wie die Ärzte sagen, nicht knallgesund.

Schafe werden in unserer Gesellschaft nicht alt. Sie werden als Lämmer gegessen, als Schafsfrauen bekommen sie jährlich Kinder, bis - ja bis man sie schlachtet. Meist zwischen vier und acht Jahren, richtig?

Die männlichen Tiere werden nur ein paar Monate alt, sie werden als Lämmer geschlachtet und gegessen.

Insofern, da die Schäferei K. und ich nun schon einige Tiere haben alt werden und auch sterben sehen, glaube ich, dass wir schon viel mehr darüber wissen als viele Leute, aber natürlich bei weitem noch nicht genug. In Büchern steht darüber gar nichts.

Deinen Hinweisen, wie man die Gelenke prüfen kann, werde ich auch noch in Ruhe nachgehen. Sie sind sehr aufschlussreich wie auch der Hinweis mit der Durchtrittigkeit.

An Heu hatte ich auch schon gedacht. Hier hat Herr K. durch die Öffnung der neuen Weide einen anderen Weg gewählt, der im Moment auch sehr vielversprechend ist...

Wir hatten auch schon Tiere, die gelegen haben, um zu sterben, und sei versichert, wenn dem so ist, dann merken wir das und dann begleiten wir das Tier bei seinem Sterben. Bei Willi war es so, bei Conny und bei Fleckchen.

Bei allen drei Tieren haben wir keinen Tierarzt mit der Spritze gebraucht. Die Tiere haben ihre Zeit gewählt. Wir haben gemerkt, dass sie gehen wollen und haben ihnen alles zur Verfügung gestellt: Heu, Weidenblätter (superbeliebt), Kraftfutter, Wasser, Aufmerksamkeit und homöopathische Begleitung.

Ab dem Punkt, wo es ans Sterben ging, haben wir die Tiere auch nicht mehr aufgerichtet. Sie waren heiter und ohne Schmerzen und sind innerhalb weniger Tage ohne Kampf ganz ruhig gestorben.

Dabei haben die Tiere ganz nach ihrer Art einen sehr unterschiedlichen Tod gewählt, so wie sie auch im Leben unterschiedlich waren.

Ich glaube, Familie K. und ich wir merken das schon, wann es Zeit ist, Abschied zu nehmen und wissen, dass der Tod zum Leben dazugehört. Der Tod ist in unserer Gesellschaft ein Tabu, vielleicht das letzte, das es noch gibt. Bei jedem Tod, der so frei und selbstbestimmt ist wie der unserer alten Schafe, lernt man für sich selbst dazu. Wie heißt es in der Philosophie: "Philosophieren heißt, sterben lernen..."

Es ist frappierend, wie die Tiere in den Tod hineingehen, ohne Angst, ganz bei sich, und wir Menschen können sehr viel dabei lernen.
Wir können sie auch unterstützen. Dann steht aber das Tier im Mittelpunkt und nicht irgendwelche Bedürfnisse der Menschen dem Tier gegenüber.

Ich hoffe, ich konnte Dir deutlich machen, dass Deine Befürchtungen bei uns hier unbegründet sind, dass man ein Tier nicht sterben lässt, weil man es länger "haben" will.  Das ist Gewalt, die ich ablehne. 


Bin auch so ausführlich darauf eingagangen, weil ich finde, dass die Punkte, die Du im Kommentar angesprochen hast, wirkliche Nervpunkte sind, die oft ausgeblendet bleiben, die man aber für sich klären sollte.

Insofern gehört bei unseren Schafen, die ja in einer, sagen wir mal - Liebhaberhaltung - gehalten werden und die nicht ökonomisch Gewinn bringen müssen, auch, wie bei anderer Haltung, der Tod dazu, aber eben auf die beschriebene Weise, und ich glaube, die ist verschieden von der Art, wie normalerweise in Schäfereien mit dem Tod umgegangen wird.

Ich habe auch schon im Heimtierbereich erlebt, dass mit dem Wort "erlösen" zu schnell mit der Spritze herumgefuchtelt wurde, weil die Menschen (!!) das langsame und natürliche Sterben ihres Tieres nicht gut ertragen. Sie wollen dann reinen Tisch machen und das soll schnell gehen.

Damit tun sie dem Tier auch Gewalt an.

Also gibt es, glaube ich, drei Logiken oder Ethiken den Tieren gegenüber und die ziehen unterschiedliche Handlungen nach sich:

-die erste ist die ökonomische Haltung. Das ist die Schäferei. Da entscheidet der Mensch, wer wann wie stirbt. Das ist für mich in der traditionellen Form anerkennenswert und respektabel. Massenhaltung lehne ich rigoros ab.

-die zweite ist die Haustier/Streicheltierhaltung. Hier gibt es sicher beides: Schnell wegspritzen oder sich nicht trennen können und dem Tier damit Gewalt antun, dass man es nicht sterben lässt. Was Du ja auch bei mir vermutet hast. :)

-die dritte ist die Liebhaberhaltung, Hobbyhaltung von so genannten Nutztieren. So wie bei unseren Schulschafen. Die liegt quer zu allem. Sie ist am meisten unerforscht.

Auf "unserem" Hof gibt es zwei Haltungen. Die traditionsgebundene, ökologisch nachhaltige Schafhaltung mit ökonomischem Hintergrund (Schäferei) und die Liebhaberhaltung als Pensionstiere (Lenauer Schulschafe). Daraus ergeben sich auch manchmal Diskussionen, die sicher beiden Seiten etwas bringen können.

Ich war gestern bei Nello, und Herr K. und ich, wir beide fanden, dass es im Moment keine Situation ist, dass Nello mit seinem Leben abschließen möchte. Deshalb heben wir ihn auch hoch. Als Willi starb und wir in seinen  letzten Tagen feststellten, es geht jetzt ans Sterben bei ihm, er will gehen, da haben wir ihn nicht hochgehoben. Vorher stand er immer selber auf, wie schwer es auch immer für ihn war. Aber da wollte er noch weitermachen. Als er sich niederlegte und wir merkten, er will nicht mehr, da haben wir ihm nur noch beigestanden. 

Das kann sehr beglückend sein, denn Tiere machen alles, was sie machen, ganz - im Leben und im Sterben. Es ist beeindruckend. Wenn es dann der Abschluss eines langen, schönen Lebens ist, so wie wir uns das auch für uns wünschen würden, dann ist es überhaupt nicht traurig!!!

Ich hoffe, dass vielleicht zu spüren war, dass ich schon auf dem Boden der Tatsachen stehe, obwohl ich mir Mitgefühl , ja - leiste. Nicht so ein gefühlsduseliges egoistisches Etwas bin, das seine gefühlsduseligen egomanischen Bestrebungen nun zufällig an Tieren auslässt....

Deine Überlegungen waren und sind mir sehr wichtig für die Schafhaltung. Ich sehe mit großem Respekt, wie Schafhalter und Schäfer mit ihren Tieren umgehen, so wie Familie K. es tut, so wie Ihr es tut (Es gibt leider auch viele Andere!) und ich freue mich, wenn ich etwas von dem, was mich umtreibt, vielleicht im Ansatz plausibel machen kann. Als meine Lösung in meiner Situation. Und wenn ich von Euch etwas lernen kann!!!
Für das Geld, das ich in sechs Jahren bisher in die Schafhaltung reingesteckt habe, hätte ich mir schon einen richtig fetten BMW kaufen können, wurde mir klar, nachdem ich es mal durchgerechnet hatte. Aber scheiß auf einen BMW. Das hier ist viel besser!!!

Puh, das war jetzt anstrengend. Erst mal ne Pause machen. 
Herzliche Grüße
Minna 

Ich glaube, für ein Schulblog waren das jetzt sehr grenzwertige Gedanken von mir. Aber ich finde sie wichtig. Ich finde es wichtig, dass sich jeder Gedanken über solche wichtigen Fragen macht.

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